Kirsch-Blog

Texte schreiben, Hörspiel machen

Warum das NICHT im Text gefährlich ist und wie es vermieden wird

Das NICHT gehört nicht in Texte.

Vernichten ist das, was das NICHT macht. Vernichten ist nämlich die verbale Form des Adverbs NICHT. So ruft der Tierwerter im Zoo: „Nicht die Tiere füttern!“ Damit will er die Idee vernichten, wir könnten im Zoo ein Tier verköstigen, vielleicht das Gnu. Problematisch am NICHT ist allerdings, es bringt das, was es vernichten will, erst hervor. Hä? Was soll das jetzt heißen?

Kein Bock zu lesen? Unten gibt es eine kurze Zusammenfassung des Inhalts.

Was bringt das NICHT hervor?

Zwei Beispiele:

1. Gestern kaufte sich meine Frau einen Strauß Rosen im Kaufland. Sie las die Anweisungen auf der Folie um den Strauß und meinte völlig verblüfft: „Ach, man muss die abgefallenen Rosenblätter im Wasser lassen. Wusstest Du das?“ Ich schüttelte den Kopf, um gleich danach wissenschaftliche Theorien in den Raum zu werfen. „Das hängt sicher mit der erhöhten Stichstoffzufuhr zusammen, durch die verwesenden Blätter im Wasser. Oder es sind …“ Während ich weiter dozierte, sagte sie: „Ne, da steht, lassen Sie die NICHT im Wasser.“

2. Als ich zehn war, sollte ich mich mit meiner Mutter in der Stadt treffen. Wir wollten von dort zusammen zum Zahnarzt gehen. Mein Vater erklärte mir am Abend vorher den Treffpunkt. Dabei ging er ausführlich darauf ein, wo der Treffpunkt NICHT sei, nämlich an meinem alten Kindergarten. Der sei in der Parallelstraße zum Treffpunkt. Wo wartete ich am nächsten Tag auf meine Mutter? Richtig, vor meinem alten Kindergarten!

Was aus den Beispielen folgt:

Das NICHT bringt genau das hervor, was es eigentlich vermeiden will. Hätte mir mein Vater den Treffpunkt beschrieben und NICHT den Ort, an dem ich NICHT sein sollte, wäre alles glattgegangen. (Meine Mutter fand mich nach einer halben Stunde. Sie ahnte schon, warum ich am richtigen Treffpunkt fehlte.) Ich kann mir auch durchaus vorstellen, wie ich meiner Frau in zwei Wochen Rosen kaufe und dann ganz schlaumeierisch verkünde: „Man soll ja die abgefallenen Rosenblätter im Wasser lassen.“

Durch das NICHT (No) kommt derjenige erst auf die Idee, die das NICHT vernichten soll.

Durch das NICHT (No) kommt derjenige erst auf die Idee, die das NICHT vernichten soll. Dank dieses Schildes wird sicher niemand erst auf die Idee kommen, von der Brücke zu hopsen.

Unser Hirn mag das NICHT nicht

Menschliche Hirne machen Fehler. Sie berauschen sich für Ideen, Geschichten, Bilder – alles, was in uns Emotionen auslöst. Für das NICHT hat das Gehirn wenig übrig. Das ist abstrakt. Es verneint etwas, soll ein Bild oder eine Idee auslöschen. Wer schon mal versucht hat, an etwas NICHT zu denken, der weiß: Es ist unmöglich. Was macht also unser Hirn? Es wirft das NICHT in den Erinnerungsmüll und die zu vernichtende Idee bleibt bestehen.

Doch das ist nur ein Teil von dem, was unser Hirn mit dem NICHT macht. In vielen Fällen vergessen wir nämlich das NICHT nicht, sondern es wird einfach übersehen.

Das NICHT in einer E-Mail oder Messenger-Nachricht

Eine SMS, eine E-Mail oder eine Nachricht im Messenger wird in aller Regel schnell geschrieben und noch schneller gelesen. Dabei überliest das Auge das Wort NICHT mit Freude.

Messenger

Ich kann mich bei dem Thema einfach nicht richtig konzentrieren.

Wäre mir neu. Bist immer total abwesend.

E-Mail

Hallo Herr Bla,
ich denke nicht, dass wir unter diesen Bedingungen zusammenkommen.
BG
B. Bli

Hallo Herr Bli,
das freut mich. Ich sende Ihnen gleich den Vertrag zu.
MfG
A. Bla

Solche und ähnliche Konversationen sind dank eines überlesenen NICHT an der Tagesordnung. Auch in anderen Texten verschwindet das NICHT schnell. Wie oft habe ich schon Sätze in Büchern gelesen, die keinen Sinn ergaben, bis ich das überlesene NICHT bemerkte. Extrem anfällig sind immer Texte, die wir lediglich konsumieren, um an Informationen zu kommen. Die lesen wir nämlich schnell oder überfliegen sie nur. Das NICHT kommt dabei schnell unter die Räder.

Ist es wichtig, was wir schreiben, etwa in einer Geschäfts-Mail, dann kann so ein NICHT-Missverständnis ziemlich blöde Folgen haben.

Deshalb sollte jeder Schreiberling – egal ob alt, jung, dumm oder schlau – das NICHT verbannen.

Gilt das NICHT-Verbot auch für KEINE, NIE und andere Verneinungen?

Ja, auch andere Verneinungen können überlesen oder falsch gelesen werden. KEINE wird zu EINE. NIE wird zu EIN. NIEMALS wie zu JEMALS. NEIN wird zu EIN. Und so weiter und so fort.

Selbst wenn die Negation richtig gelesen wird, setzt diese erst die ungewollten Ideen in den Kopf des Lesers.

Wie kann ich das NICHT eliminieren?

Glücklicherweise gibt es zu fast jedem deutschen Wort ein Antonym. Das ist das Wort mit der gegenteiligen Bedeutung. Das bekanntere Synonym ist ein Wort mit gleicher oder ähnlicher Bedeutung.

 

In der Grafik sind im grünen Kasten die Synonyme für das Wort „Trocken“ markiert und mit dem roten Kasten die Antonyme.

Antonyme finden sich in analogen Wörterbüchern (das sind die Dinger mit den Papierseiten zum Blättern) oder wie im Beispielbild auf Woxikon.de. Am besten ist allerdings die Seite Gegensatz-von.com – dort gibt es Antonyme ohne Ende. Mit deren Hilfe lässt sich in vielen Fällen das böse NICHT oder eine andere Negation vermeiden. Dazu muss das Wort genommen und der Satz nur ein wenig umgestellt werden.

Anmerkung: Findet sich kein Antonym, dann hilft auch die kleine Vorsilbe „un“. Die sollte wohl dosiert verwendet werden, sonst wird der Text unschön ;-)

5 Praktische Beispiele, wie das NICHT verbannt wird

1
Ich kann mich bei dem Thema einfach nicht richtig konzentrieren.
wird zu:
Ich lenke mich bei dem Thema immer selbst ab.

2
Hallo Herr Bla, ich denke nicht, dass wir unter diesen Bedingungen zusammenkommen.
wird zu:
Hallo Herr Bla, ich möchte mit Ihnen neue Bedingungen aushandeln.
oder:
Hallo Herr Bla, Ihre Bedingungen lassen mich von einer Zusammenarbeit Abstand nehmen.

3
Lassen Sie abgefallene Blätter nicht im Vasenwasser.
wird zu:
Holen Sie abgefallene Blätter aus dem Vasenwasser.

4
Unsere Autos haben keine Pannen.
wird zu:
Unsere Autos sind pannenfrei.
oder:
Unsere Autos fahren immer.

5
Der angegebene Kontostand berücksichtigt nicht die Wertstellung der Buchungen. Dies bedeutet, dass der angezeigte Betrag nicht dem tatsächlichen zur Verfügung stehenden Guthaben entsprechen muss.
wird zu:
Der angegebene Kontostand lässt die Wertstellung der Buchungen unberücksichtigt. Dies bedeutet, dass der angezeigte Betrag vom tatsächlichen zur Verfügung stehenden Guthaben abweichen kann.
oder kurz:
Der angegebene Kontostand kann vom tatsächlichen Guthaben abweichen.

Gibt es Fälle, die ein NICHT erfordern?

Die doppelte Verneinung ist extrem beliebt, um Sachverhalte abzuschwächen, ohne das Gegenteil davon zu sagen. Meist wird dazu NICHT und die Vorsilbe „un“ kombiniert.

Das ist nicht unklug. – meint → Es ist ein wenig klug, könnte aber klüger sein.

Das Kleid ist nicht unschön. – meint → Das Kleid ist schon schön, könnte aber schöner sein.

Ich habe nicht gesagt, dass ich nicht zustimme. – meint → Meine Zustimmung könnte unter den richtigen Umständen erfolgen.

Hier ist also das NICHT wichtig, um vielleicht der Partnerin sanft zu vermitteln, was man selbst vom Kleid hält. In der Schriftsprache kann diese weiche Verneinung in der Belletristik oder Dramatik angewendet werden. Bei Artikeln, Blogposts, in E-Mails ist es besser, konkret zu bleiben.

Schlecht:

Hallo Herr Bla,
ich finde Ihren Vorschlag nicht unspannend. Lassen Sie uns doch bei Gelegenheit darüber reden.
BG
B. Bli

Das klingt unverbindlich und Herr Bla freut sich wenig darüber, einen wenig spannenden Vorschlag gemacht zu haben. Er wird in neutraler bis schlechter Stimmung in das Gespräch gehen.

Besser:

Hallo Herr Bla,
ich finde Ihren Vorschlag spannend. Bei Gelegenheit sollten wir darüber reden.
BG
B. Bli

Das ist konkret und Herr Bla ist Stolz auf seinen Vorschlag. Er wird positiv an das Gespräch gehen. Dann lassen sich die Modifizierungen vornehmen, die den Vorschlag perfekt machen.

Eine Zusammenfassung

1. Das NICHT schafft erst die Idee, die es vernichten soll.

2. Das NICHT wird schnell überlesen.

3. Das NICHT wird durch Antonyme und neuen Satzaufbau überflüssig.

4. Doppelte Verneinungen verwässern Aussagen. Sie gehören in die Alltagssprache und Unterhaltungstexte. Bei allen anderen Texten bringt konkret einfach mehr.

Das NICHT ist NICHT schlecht

Um Missverständnisse vorzubeugen: Ich habe nichts gegen das NICHT. Beispielsweise ist die Sache mit der Idee, die das NICHT vernichten soll, super. So kann ich in einem totalitären System Ideen verbreiten, ohne mich in Gefahr zu bringen.

Ich finde es NICHT gut, gegen die Regierung zu sein.

Es gibt KEINE Folter in unserem Land.

Die Frisur unseres Präsidenten ist NICHT hässlich.

 

<< Go back to the previous page

Tags : Schreiben Nicht Texten